Murkeldrehne hat jebaut - auf lauter Sand und Heedekraut...


Unter Volldampf in das industrielle Zeitalter


Standesherr macht ersten Schritt

Der Graf zu Solms-Sonnenwalde ging mit der Zeit. Er plante im Jahre 1833 die Errichtung einer Brennerei auf dem Gut Wendisch-Drehna. 1836 existiert dann in Drehna bereits eine Brennerei die der Schankwirt Mudlagk betreibt. Aus Kartoffeln oder auch Mais wurde ein hochprozentiger (92iger) Sprit gebrannt. Unter Zollaufsicht wurde dieser in Fässer abgefüllt und verkauft. Der Kartoffelanbau und die Brennerei entwickelten sich mit der Zeit zum Haupterwerbszweig des Gutes.

Zum Gut gehörte ebenfalls die Ziegelei in der heutigen Lindenstraße, die gesondert verpachtet wurde. Die Ziegel waren von guter Beschaffenheit und fanden guten Absatz.

Der erste Schritt in Richtung Industrialisierung wurde mit dem Abbau von Braunkohle gesetzt. Graf Solms-Sonnenwalde richtete am 17. September 1854 eine der ersten Braunkohlengruben in der westlichen Niederlausitz ein. An der Stelle der späteren Grube Franziska wurde ein Schacht angelegt, in dem unter Tage die Kohle gefördert wurde.




Walddrehna im Zeichen des Bergbaus

Am 12.10.1874 erfolgte die bergbehördliche Anmeldung der Grube Franziska. Der Eigentümer war der Bergwerksdirektor Albert Nettekoven aus Dresden.

Der Tiefbau erfolgte in flachen, unterirdischen Schächten die bis in 40 Meter Tiefe hinabreichten. Die Förderung erfolgte mittels Wagen auf englischen Schienengestänge. Eine Dampfhaspel mit 2 Zylindern hob die Förderwagen auf einem Gestell zu Tage, bis auf eine 6 Meter hohe Sturzbühne. Unter diese konnten die Konsumenten mit ihren Wagen zum Beladen unterfahren. Gleichzeitig befand sich ein System mit 2 Sieben zum Sortieren der Kohlen für den Absatz per Bahn auf der Sturzbühne. Eine Pferdebahn führte vom Schacht Agnes bis zur Bahnstation Drähna, an der sich eine Privatweiche mit Zweiggleis und eine Ladestation befand. Die Pferdebahn hatte eine Länge von 2500 Meter und vom Schacht aus ein Gefälle bis auf die letzten 300 Meter. Somit rollten die Loren ohne Antrieb bis kurz vor die Entladestation. Pferde zogen die vollen Loren bis auf die Verladestation und die leeren Waggons zurück zur Grube. Die Spurweite des Gleises betrug 80 cm; die Wagen hatten ein Fassungsvermögen von 16 Hectoliter. Sie wurden auf der Laderampe durch seitliches Kippen in die Eisenbahnwaggons entleert. Den Betrieb der Pferdebahn regelte eine 14 Paragraphen umfassende Polizeiordnung die von Landrat von Manteuffel am 31. März 1877 erteilt wurde. So war eine Zuglänge von maximal 10 Wagen vorgeschrieben und in jedem Zug mussten soviele Bremswagen enthalten sein, das eine Geschwindigkeit von maximal 3 m/sec (10,8 km/h) nicht überschritten wird. Weiterhin musste ein Bahnwärter am Weg nach Großkrausnik stehen und dort einen Sperrbaum und die beiden Zugbäume an den Wegen nach Wehnsdorf und Bornsdorf bedienen. Er musste auch eine Glocke läuten bevor er die Bahnübergänge schloss.

Ein Sprichwort gibt Auskunft aus dieser vergangenen Zeit:


In Drehne is jemütlich,
da jibs ne Ferdebahn.
Det eene Ferd det zieht nich,
det andre det is lahm.
Da Kutscha is besoffn,
die Deichsel die is krumm
un alle fünf Minutn,
da kippt der Karren um.

Nach 7 Jahren wurde die Förderung in der Grube Franziska am 13. Juni 1881 eingestellt. Die Gesamtförderung betrug 20.000 Tonnen. Der größte Teil wurde in Drehna und Umgebung (Weißack, Beesdau, Wüstermarke und Wehnsdorf) konsumiert, nur ein Teil ging per Bahn nach Uckro - Luckau, Zossen, Golßen, Baruth,... Die Belegschaft bestand aus einem Betriebsführer, einem Maschinenwärter, einem Zimmermann und um die zehn
Arbeiter.

"Bei der Bevölkerung in Wendisch - Drehna
und Umgebung beginnt sich eine mit großer
Aufstelligkeit verbundene Vorliebe für die
Bergarbeit und den Bergarbeiterstand immer
mehr zu entwickeln. Es war dies in der erfreulichsten
Weise z.B.: bei einem in Monate
Mai gefeierten kleinen Bergfeste zu beobachten
und zeigt sich auch in den verhältnismäßig
sehr zahlreichen Meldungen zur Aufnahme in
den Knappschaftsverein. Die dazu berechtigten
Personen der Belegschaft haben ausnahmslos
als ständige Mitglieder aufnehmen lassen."
Dresden, 20.01.1879
Albert Nettekoven


Mit dem Zug nach Elbflorenz und Spreeathen

Die eigentliche Industrialisierung setzte erst mit der Errichtung des Bahnhofs Wendisch-Drehna ein.

Im Jahre 1870 bildete sich ein Komitee, welches eine Eisenbahndirektverbindung zwischen der Hauptstadt des neuen deutschen Kaiserreiches Berlin und der Hauptstadt des Königreiches Sachsen plante. 1871 erhielt das Komitee die Erlaubnis des Preußischen Staates zur Erarbeitung der Strecke über Berlin - Zossen - Baruth - Kirchhain - Elsterwerda - Moritzburg - Dresden. Die geschätzten Kosten betrugen 9 Mio Taler, bei der Aufstockung auf 11 Mio Taler erhielten sie eine Konzessionsurkunde vom Kaiser. Bereits im Herbst 1872 war das Aktienkapital der Berlin - Dresdener Eisenbahngesellschaft voll gezeichnet und kurz darauf begannen die Bauarbeiten. Bei der Finanzierung kam es allerdings zu einer Interessenkollision, da namhafte Aktienzeichner Teilhaber der Generalbaubank waren und für die Bank einen hohen Gewinn aus dem Bahnbau schlagen wollten. So wurden Aktien im Wert von 31,5 Mio Mark verkauft, tatsächlich brachten sie aber nur einen Wert von 24,1 Mio Mark. Dies führte zum Verzicht des zweiten Gleises auf einem Großteil der Strecke. Am 17. Juni 1875 wurde die Bahnstrecke Berlin Dresdener-Bahnhof - Dresden eröffnet.
Die Bahnstation Walddrehna, zur damaligen Zeit Drähna, bestand aus einem Empfangsgebäude mit Güterschuppen, einem Brunnen mit Spritzen und Löschapparat und einem Lokschuppen und einer Wasserstation mit Wasserkran. Der Fuhrpark der Eisenbahngesellschaft bestand aus 27 Lokomotiven, einem Salonwagen für höchste und hohe Herrschaften, 7 Personenwagen der 1. Klasse, 15 der 1. und 2. Klasse, 5 der 2. und 3. Klasse, 28 der 3. Klasse, 17 der 4. Klasse, 10 Gepäckwagen, 381 Güterwagen und 15 sonstige Fahrzeuge wie Bahnmeisterwagen und Draisinen. Benannt wurden die Schnellzuglokomotiven nach den wichtigen Flüssen der Gegend, der Spree, der Moldau, der Elbe und der Elster. Die Personenlokomotiven nach wichtigen Persönlichkeiten und die Güterlokomotiven nach den wichtigen Städten an der Strecke wie Berlin, Dresden, Baruth, Luckau, Sonnewalde, u.a. Im Jahr 1876 verkehrte erstmals ein Courierzugpaar auf der Strecke und sie waren mit 61,1 km/h die schnellsten Züge Deutschlands.

1903 verkehrten zwischen Uckro und Doberlug 38 Züge täglich, darunter 6 Schnellzüge. Dieses hohe Verkehrsaufkommen führte zum Ausbau des 2. Gleises im Abschnitt zwischen Wendisch - Drehna und Uckro. Dieses Teilstück hatte den längsten und steilsten Abschnitt zwischen zwei Bahnstationen auf der Strecke und wurde deshalb als erstes in Angriff genommen. Am 1. Oktober 1904 ging er in Betrieb, 1906 ging das 2. Gleis der gesamten Strecke in Betrieb.


Güterzuglokomotive "Luckau"


Der Bahnhof im Ort wurde zum Glücksfall Walddrehnas. Zum Beispiel fuhren die Drehnaer Frauen zu Ostern ein bis zweimal täglich nach Berlin um auf den Märkten Ostersträuße
zu verkaufen. In der Blaubeer- und Pilzzeit kauften auch Händler waggonweise die Beeren und Pilze unserer Wälder auf, um sie dann in Berlin und Dresden zu verkaufen. Ein wichtiger Nebenerwerb unserer Vorfahren.

Der nachfolgende Spruch zeugt von diesen fast vergessenen Tagen:


Murkeldrehne hat jebaut
auf lauter Sand und Heedekraut.
Und die Menschen mußten sich ernähren
von Pilzen und von Heedelbeeren.


Bahnhof Wendisch-Drehna um 1900


Der Bahnhof als Motor der Industrialisierung

Durch die Bahnstation Wendisch - Drehna wurde das Dorf auch für andere Unternehmer interessant. Es siedelten sich kleine Industrieunternehmen hauptsächlich südlich des Bahnhofes an. Unter anderem gab es Ende des 19. Jahrhunderts eine Blumentopf- und Tonwarenfabrik, die von August Lott gegründet wurde. Über dem Eingangstor war ein Spruch zu lesen:
Gott gebe jedem , der mich kennt,
recht viel von dem was er mir gönnt.

In den 20er Jahren sollen mehr als 50 Beschäftigte und 2 Vertreter in der Töpferei beschäftigt gewesen sein. Die produzierten Blumentöpfe wurden auf dem Bahnhof in Waggons verladen und unter anderem zu einem der größten Abnehmer, eine Großgärtnerei in Berlin, transportiert.
Südlich an die Töpferei schloss sich dann das Zimmerei, Dampfsäge- und Hobelwerk an. Gründer war August Petschick der sie kurz vor der Jahrhundertwende errichtete. Im Jahre 1899 wurde sein Betrieb durch ein Feuer zerstört, aber gleich wieder aufgebaut.
Ebenfalls um die Jahrhundertwende wurde die Dampfmühle Lott errichtet. Sie befand sich am jetzigen nach ihr benannten Mühlenweg. Auf alten Bauzeichnungen ist Königweg zu lesen, der die Bahnhofstraße mit der Poststraße, dem sogenannten Kiez, verband. Besitzer war Richard Lott.

Desweiteren entstand eine kleine Konservenfabrik in der Bahnhofstraße. Hinter dem Wohnhaus errichtete Norbert Rabe, der sich als junger Mensch in Chile aufhielt, diesen Betrieb. Bis zu 10 Frauen waren mit der Konservierung von Spargel, Möhren, Erbsen und Bohnen beschäftigt.


Durch die Ansiedelung dieser Industriezweige in Drehna und den dadurch vorhandenen neuen Arbeitsplätze kam es zu einem sprunghaften Anstieg der Bevölkerung. Von 228 Einwohnern im Jahre 1840 stieg die Zahl bis zum Jahr 1900 auf 514. Dies führte zur Erweiterung des Dorfes. So wurde zum Beispiel die neu angelegte Straße vom Dorf zum südlich davon gelegenen Bahnhof bebaut. Auch die heutige Poststraße wurde in südlicher Richtung erweitert und es entstanden dort neue Wohnhäuser.
Mit dem Anstieg der Bevölkerung stieg auch die Nachfrage nach Dienstleistungen und Konsumgütern, was zur Gründung neuer Geschäfte führte. Es entstanden 4 Kolonialwarenläden (Ritterts, Puhlmann, Ludwig und Voigt), die Schmiede Schwarzenburg wurde in der Bahnhofstraße eröffnet, der Bruder des Sägewerksbesitzers Herrmann Petschick gründete eine Tischlerwerkstatt, die Familie Lott betrieb neben der Mühle jetzt auch eine Bäckerei, zwei weitere Bäckereien in der Bahnhofstraße, Haucke und Nerlich, und die Bäckerei Ludwig in der Poststraße entstehen.

Genau wie bei den Bäckereien stieg auch die Zahl der Fleischereien. So gab es neben der Fleischerei Hammitzsch, die Fleischerei Puhlmann und die Fleischerei Postupa. Für das leibliche Wohl sorgten die Gastwirtschaften. Die seit altersher zum Gut gehörende Schenke wurde vom Gutspächter verpachtet. Hinzu kamen die Gastwirtschaft "Zur grünen Linde", Betreiber waren Puhlmanns, die Bahnhofswirtschaft, sie wurde von der Bahn verpachtet und zuletzt die Gaststätte "Zur Eisenbahn" in der Bahnhofsstraße.


Auch die umliegenden Gemeinden wie Gehren nutzten die Bahnstation in Walddrehna. So verband eine Lorenbahn die Drehnaer Werke, eine Ziegelei, bei der Schwarzen Brücke mit dem Bahnhof. Dort wurden dann die in der Ziegelei gefertigten Ziegel auf die Waggons verladen. Auch viele Frauen aus Wendisch Drehna fanden in der späteren Ziegelei Süren ihr Auskommen. Anfangs wurden die Loren per Muskelkraft gezogen, später erledigten das Pferde. Neben der Ziegelei befanden sich auch die Tongruben, in denen die Beschäftigten manchmal so tief gruben, das sie auf Kohle gestoßen sind. Diese wurde jedoch nur zum Eigenbedarf der Mitarbeiter verwendet.




Belegschaft der Töpferei August Lott



Gasthof "Zur grünen Linde"



Walddrehna, ein Förderraum für Braunkohle

Kohle wurde auch in den Nachbargemeinden Gehren und Grünswalde gefördert. Die Grube Clara, die bergbehördlich am 28. August 1872 angemeldet wurde, befand sich südöstlich des heutigen Dorfes Gehren. Der Eigentümer war der Brunnenbaumeister August Fuchs aus Luckau. Zwei Jahre später wurde sie vom neuen Besitzer Bergwerksdirektor Carl
Maruhn aus Finsterwalde betrieben. 1893 ging sie in die Grube Barbarossa über, die vom Rittergutsbesitzer Freiherr von Thermo betrieben wurde. Nach dem Grubenbesitzer Albert Harzer (1893) und dem Bergwerksdirektor Carl Schwabach (1896) ging die Grube Barbarossa 1896 in die Braunkohlenwerke Wendisch - Drehna GmbH über.
Auch hier erfolgte der Abbau der Braunkohle ausschließlich im Tiefbau. Es wurden 2 voneinander unabhängige Abbaufelder angelegt. Das nördliche Feld beginnt unmittelbar südlich der Ortslage Gehren und erstreckt sich in einer Ost-West Ausdehnung von maximal 150 m beiderseits des Weges von Gehren nach Grünswalde und endet ca. 300m vor Grünswalde. Das südliche Abbaufeld beginnt 800m von Gehren zunächst westlich dann beiderseits des Weges von Gehren nach Bornsdorf mit einer Ost-West Ausdehnung von ebenfalls 150m. Das insgesamt beanspruchte Gebiet hat eine Länge von ca. 1,7km und eine Fläche von ca. 20 ha.
Am 14. Juni 1894 wurde zum Abtransport der Braunkohle eine Drahtseilbahn projektiert, die von den Abbaufeldern bis zur Bahnstation Wendisch - Drehna führen sollte. Sie hatte eine Länge von 3100 Meter und ist nach dem bewährten deutschen System mit zwei straff gespannten Stahldrahtseilen und einem Zugseil ohne Ende ausgeführt. Die Gesamtsteigung
derselben beträgt 34 Meter. Angetrieben wurde sie durch eine 75 PS starke, liegende Dampfmaschine, die auch eine unterirdische Kettenbahn antreiben sollte.




Konstruktionszeichnung
Beladestation der Drahtseilbahn


Konstruktionszeichnung
Entladestation der Drahtseilbahn


Konstruktionszeichnung
Tragseilstützen Ansicht



Südlich der Ortslage Wendisch-Drehna wurde eine Preß - Kohlenfabrik (Brikettfabrik) errichtet. Diese wurde ebenfalls wie auch die Grube Barbarossa von den Braunkohlewerken Wendisch - Drehna GmbH betrieben. Hier wurde die Kohle von der Entladestation per Bahn in die Brikettfabrik befördert. Am 16. August 1897 brannte die Entladestation der Drahtseilbahn gänzlich nieder. Es wurde vermutet, dass Funken der Güterzuglokomotive des 2 Uhr Nachtszuges den Brand auslösten.



Brikettfabrik Wendisch-Drehna


Im Jahre 1897 wurde eine Gewerkschaft Wendisch-Drehna gegründet. Die Fahne der Gewerkschaft befindet sich heute im Niederlausitzmuseum Luckau. Sie zeigt auf
der Forderseite ein Wappen und es steht: - Gewerkschaft Wendisch Drehna Glück - aufihr geschrieben. Die Rückseite ziehrt ein Spruch, der lautet: - Edles Bergmannsleben herrlich ist dein Lohn Deine Werke geben Glanz dem Königsthron -





Gewerkschaftsfahne Wendisch-Drehna




Das Ende der Braunkohlewerke Wendisch - Drehna GmbH wurde durch einen Konkurs eingeleitet. Die Seilbahn sollte sofort verkauft werden, stand aber noch einige Jahre im Dorf. Eine Dampfpumpe arbeitete noch weiterhin, damit die Grube nicht unter Wasser gesetzt wurde. Irgendwann versagten jedoch die Pumpen und die Schächte füllten

sich mit Wasser. Man sagt, dass heute noch die Kohlenloren - so wie sie gerade beladen waren - dort unten stehen.
Nachdem die Produktion der Brikettfabrik eingestellt wurde, erwarb der Unternehmer Matzanke das Gelände. Er richtete hier eine Produktionsstätte für Edelputze ein.